Goldene Momente bei der Cyclocross Europameisterschaft: Ein persönlicher Rückblick
Manchmal sind es die intensiven, unvergesslichen Momente, die uns im Sport am meisten prägen. Die Cyclocross Europameisterschaft in Spanien war für mich genauso ein Erlebnis – eine Reise voller Anspannung, Emotionen und schliesslich ein unvergesslicher Erfolg. Ich möchte euch mitnehmen auf diese Reise und schildern, wie sich der Weg zur Goldmedaille mit Anja Grossmann für mich angefühlt hat.
Die Anreise und der erste Zusammenhalt
Es war Donnerstagmorgen, als wir uns auf den Weg nach Porto machten. Das Team war voller Vorfreude und Nervosität, die typische Mischung, die bei großen Wettbewerben in der Luft liegt. Nach einem entspannten Flug und der Übernahme unseres Mietwagens ging es direkt los. Zusammen mit den Athleten fuhren wir nach Pontevedra in Spanien, unser Ziel für die nächsten Tage.
Unterwegs haben wir schnell an einer kleinen Pizzeria gehalten, um eine Mahlzeit für die Weiterfahrt mitzunehmen. Keine Zeit zum Verweilen – wir assen die Pizza im Auto, um Energie zu tanken. Angekommen vor Ort richteten sich die Fahrer gleich für das Training ein, und ich begann mit den Vorbereitungen für die mobile Physiotherapie. Ab 17 Uhr kamen die Athleten nach und nach zu mir, um die letzten Verspannungen zu lösen und mental zur Ruhe zu kommen.
Gespräche und Vertrauen: Unterstützung für Anja
Ich kannte die meisten der Athleten bereits, doch bei Anja war die Situation besonders. Sechs harte Wochen lagen hinter ihr – Wochen, in denen sie ihre beste Freundin Muriel Furrer verloren hatte. Muriel war auf tragische Weise bei der Straßenweltmeisterschaft verstorben. Als Anja in den kommenden Tagen zur Physiotherapie kam, sprachen wir über Muriel, und ich konnte spüren, wie tief dieser Verlust noch in ihr nachhallte. Ich wollte für Anja da sein, sie bestärken und Mut geben, auch wenn ich nur ansatzweise verstehen konnte, was sie innerlich durchlebte.
Ich sagte ihr, dass Muriel ihr zuschauen würde und stolz auf sie wäre, wenn sie das Rennen gewinnen würde. Diese Gespräche schufen ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen uns. Ich fühlte mich Anja sehr nah und spürte, dass ich sie auch mental bestmöglich unterstützen konnte.
Der Wettkampftag: Ein Rennen voller Spannung
Am Sonntag war es soweit. Anja startete aus der dritten Reihe. Kurz vor dem Start überreichte sie mir noch ihre Jacken und den Finisher Bag. Als das Rennen begann, wechselte sie Positionen: Von Rang 6 zu Rang 5, dann 3, dann 1. Schliesslich wieder 2, bevor sie erneut auf Platz 1 kam. Jeder Positionswechsel liess die Spannung steigen. Ganz am Schluss überquerte Anja die Ziellinie als Erste. Sie kam direkt auf mich zu, fiel mir um den Hals und weinte – ein Moment voller Emotionen, voller Stolz und Erlösung. Nachdem sie auch kurz ihre Mutter gedrückt hatte, sagte ich ihr, wie stolz ich auf sie bin.
Ein emotionaler Sieg und die Siegerehrung
Dann ging es zur Siegerehrung. Mit stolzer Brust und überwältigt von diesem Erfolg standen wir dort. Anja widmete ihren Sieg Muriel, zeigte während der ganzen Zeremonie in den Himmel und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ich glaube, sie hat wirklich für beide gewonnen – für sich und für Muriel. Es war ein berührender Moment, der mir immer wieder die Haare aufstellt, wenn ich daran zurückdenke.
Die Anspannung, die sich in all diesen Tagen aufgebaut hatte, löste sich in diesem Augenblick auf. Es ist kaum zu beschreiben, was es bedeutet, eine Athletin so nah zu begleiten und zu erleben, wie sie am Ende mit einer Goldmedaille belohnt wird. Ich wusste in diesem Moment: Ich bin Teil dieses Teams. Alle, auch die Mechaniker, die das Rad perfekt vorbereitet hatten, haben zu diesem Erfolg beigetragen. Zusammen haben wir diese Goldmedaille geholt.
Der Ausklang eines unvergesslichen Wochenendes
Nach dem Rennen feierten wir als Team. Am Sonntagabend gingen wir zusammen aus und liessen den Montag in Porto ruhig ausklingen, bevor wir die Heimreise antraten. Es war ein Wochenende, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird – ein Wochenende voller Zusammenhalt, Erfolg und persönlicher Momente, die mich als Physiotherapeut und Mensch berührt haben.
Ich bin stolz auf dich, Anja, und danke dir dafür, dass ich Teil dieses unvergesslichen Erlebnisses sein durfte.